19.1.2022
Blog

Reden, aber nichts sagen – Fluch und Segen von Floskeln

  • Floskeln sind in der Kommunikation allgegenwärtig
  • Sie können Authentizität und Glaubwürdigkeit eines Unternehmens schaden
  • Öffentlichkeitswirksame Kommunikation bedeutet Verantwortung – auch bei der Wortwahl
von
Katharina Tielsch
Lesedauer: 4 Minuten
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Aller Anfang ist schwer. Obwohl sich die Kreativität dieses Einstiegs in Grenzen hält, bin ich zumindest direkt beim Thema: Floskeln. Sie begegnen uns jeden Tag – in der persönlichen Kommunikation, in den Medien, in der Politik, in der Unternehmenskommunikation. Wir nutzen sie selbst – bewusst oder unbewusst.

Das Wort Floskel kommt vom Lateinischen „flosculus“, was übersetzt „Blümchen“ bedeutet. Während Floskeln in der Rhetorik der Antike positiv besetzt waren, meinen wir heute mit Floskel das, was der Duden als „nichtssagende Redensart“ oder „formelhafte, leere Redewendung“ definiert.

Teil unserer alltäglichen Kommunikation

Floskeln gehören zu unserem Alltag. Sie zählen teils zu gängigen Redewendungen und fallen uns oft gar nicht mehr auf. Einige nutzen wir zum Beispiel als „Lückenfüller“, um Gesprächspausen zu überbrücken: „Da steckst‘e nicht drin!“, „Am Ende des Tages…“, „Was muss, das muss!“.

Höflichkeitsfloskeln dagegen gehören zum guten Ton, etwa eine Begrüßung oder das oft reflexartige „Gesundheit“, wenn unser Gegenüber niest. Solche Floskeln werden sogar von uns erwartet und auch wir erwarten sie: Erhalten wir eine offizielle E-Mail ohne Anrede, sind wir irritiert. Wenn wir eine Rede beginnen, ohne das Publikum zu adressieren, ändert sich der Inhalt der Rede dadurch nicht. Aber es ist für alle befremdlich.

Ermunterungsfloskeln wie „Alles halb so wild!“ oder „Wird schon wieder!“ haben sicherlich schon das ein oder anderen Tränchen getrocknet. Soll heißen: Floskeln können im unverbindlichen Gespräch durchaus eine positive Wirkung entfalten – zeigen sie doch unter Umständen, dass wir mitfühlen und teilhaben. Voraussetzung ist, dass sie der Situation angemessen und in Maßen eingesetzt werden.

Schlecht für Authentizität und Glaubwürdigkeit

Ganz anders sieht es im professionelleren Kontext und in verbindlicheren Situationen aus. Ich denke hier an den Vorwurf, mit dem sich etliche politische Vertreter:innen nach einer mit Floskeln gespickten Rede immer mal wieder konfrontiert sehen: viel geredet, aber nichts gesagt.

Ähnliche Vorwürfe gibt es auch in der PR: Nicht ohne Grund hat unsere Branche mit dem Ruf zu kämpfen, bekannt für Floskeln und Phrasen zu sein. Die Zeit ist knapp, der Druck groß, die Konkurrenz schläft nicht. Da kommen ein paar Standardfloskeln doch ganz gelegen – also raus mit dem Text, dann sind wir wenigstens sichtbar. Ein Trugschluss. Solche Texte werden nicht wahrgenommen, sie gehen unter. Gerade wenn es darum geht, eine authentische und ernstzunehmende Wahrnehmung zu gestalten – etwa auf der Website oder in einer Pressemitteilung – haben Allgemeinplätze à la „Wir bieten Ihnen höchste Qualität!“ oder „Nachhaltigkeit wird bei XY großgeschrieben!“ nichts zu suchen. Sie machen Absender:innen austauschbar, sind fernab von überzeugend und gefährden die Glaubwürdigkeit. Es geht vielmehr darum, handfeste Belege für „höchste Qualität“ oder „Nachhaltigkeit“ zu liefern. Inhalte müssen also individuell sein, Wiedererkennungswert haben, sie müssen begeistern und neugierig machen. Erster Ansatzpunkt: Schreiben Sie einen Text so, dass Sie ihn selbst gerne (weiter)lesen wollen. Das kostet ein wenig Zeit und Mühe, vielleicht auch Nerven. Aber es lohnt sich.

Wo Floskeln mit Vorsicht zu genießen sind

Genauer hinschauen müssen wir, wo Begriffe ihrem eigentlichen Sinn entlehnt werden, Sprache unscharf wird und falsche Bilder hervorgerufen werden – wenn auch unabsichtlich. Vor allem dann, wenn öffentlichkeitswirksam kommuniziert wird.

Das Projekt „Floskelwolke“ nimmt seit 2014 Floskeln und Phrasen verschiedenster Art in der deutschsprachigen Nachrichtenberichterstattung unter die Lupe. Der Zweck dahinter: auf die Verwendung solcher Begriffe aufmerksam zu machen, zu sensibilisieren. Jedes Jahr wird die „Floskel des Jahres“ gekürt. Für 2021 belegt der Begriff „Eigenverantwortung“ Platz 1. Ein Wort, das durch seinen inflationären Gebrauch im Kontext der Corona-Pandemie inzwischen verbrannt ist. Die dazugehörige Erklärung: „Ein legitimer Begriff von hoher gesellschaftlicher Bedeutung wird ausgehöhlt und endet als Schlagwort von politisch Verantwortlichen, die der Pandemie inkonsequent entgegenwirken. Fehlgedeutet als Synonym für soziale Verantwortung und gekapert von Impfgegner:innen als Rechtfertigung für Egoismus.“

Am Beispiel des Begriffs Eigenverantwortung zeigt sich, was passieren kann, wenn Begriffe zu Floskeln werden. Sie verlieren ihre Verbindlichkeit, verwässern, werden fehlgedeutet und schaffen falsche Tatsachen. Warum ist das ein Problem? Weil Worte mit Assoziationen und Gefühlen verknüpft sind. Sie transportieren nicht nur Informationen, sondern auch Emotionen. Auf diese Weise können gerade in einer Ausnahmesituation wie der Pandemie – gewollt oder ungewollt – Ängste geschürt werden.

Sprache bewusst einsetzen

Was bedeutet das Ganze nun? Zunächst einmal: Floskel ist nicht gleich Floskel. Im Kern geht es darum, Sprache bewusster und wohlüberlegter einzusetzen – vor allem da, wo sie eine breite Öffentlichkeit erreicht. Das gilt für Medien, Politik und Unternehmen gleichermaßen. Wer öffentlich spricht, hat Verantwortung. Und dieser Verantwortung sollte auch in der Wortwahl entsprochen werden.

Da ich diesen Beitrag mit einer Floskel begonnen habe, bleibt abschließend nur eine Möglichkeit:

Ende, aus – Micky Maus!

verfasst von:
Katharina Tielsch
Senior-Beraterin
+49 (0) 211 515805 – 25
k.tielsch@vomhoff.de