28.8.2020
Blog

Zuhören – die Kernkompetenz der Beratung

  • In der Kommunikation werden immer häufiger technische Lösungen strategischen Grundsatzentscheidungen vorgezogen
  • Im Mittelpunkt der Kommunikation steht aber weiterhin der Mensch
  • Aktives Zuhören ist deshalb eine Kernkompetenz von Beratern
von
Kai vom Hoff
Lesedauer: 4 Minuten
SCROLL

Wenn Reden Silber und Schweigen Gold ist, dann ist Zuhören Platin. (Andrzej Majewski, polnischer Schriftsteller)

 

Krisenzeiten sind unsichere Zeiten. Solch eine Zeit ist jetzt. Häufig fehlt der Kompass für die richtige Richtung, die nächsten Schritte, den Umgang mit dem Ungewissen. Krisenzeiten sind ein Spielfeld für Beratungen aller Couleur. Leider kommt dabei nicht immer nur Gutes heraus. Was ich vielfach beobachte, sind Versuche, durch Begriffe wie Komplexität, Unbeherrschbarkeit, Dynamik, Transformation, Disruption, Stimmung zu machen und Angst zu erzeugen, um Leistungen an die Frau, an den Mann zubringen.  

 

Um einem falschen Eindruck entgegenzuwirken: Natürlich erleben wir nicht nur durch die Corona-Pandemie, sondern auch durch die Digitalisierung und den Klimawandel gerade einen tiefen Umbruch mit weitreichenden Konsequenzen, der alle Bereiche von Gesellschaft und Wirtschaft betrifft. Und natürlich braucht es fachliche Unterstützung bei der Bewältigung dieser Mammutaufgabe. Wer hier berät, sollte sich also entsprechend qualifizieren. Allzu oft ist hier der Ruf nach neuen Tools zu hören.

 

Es scheint, als ob jede neue Herausforderung vor allem eine technologische Antwort braucht. In der Kommunikation halten Chatbots und automatisierte Prozesse zunehmend Einzug. Es mag wie eine Binse klingen, aber was oft dabei außer Acht gelassen wird, ist der Mensch. Nicht Maschinen oder Programme machen Kommunikation, sondern der Mensch. Das mag trivial klingen, ist es aber nicht. Vor dem Einsatz von Technik und dem eloquenten Verkaufsgespräch steht das Zuhören.

 

Sie haben richtig gelesen: das Zuhören. Und damit ist nicht die Aufnahme und Entschlüsselung akustischer Signale gemeint. Es geht vielmehr um Beziehungen, sie aufzubauen und einen wohlwollenden Umgang miteinander zu kultivieren, in dem Vertrauen und Zutrauen erwachsen.

 

Es gibt zahlreiche Coaches, Trainer sowie Fachliteratur darüber, wie wir überzeugender reden, präsentieren, besser verkaufen. Suche ich Seminare, Trainings, Bücher über besseres Zuhören ist das Fazit: Fehlanzeige! Dabei erlernen wir das, was wir wissen, zu 85 Prozent durch Zuhören!

 

Das geschieht im Dialog von Mensch zu Mensch. Gutes Zuhören bedeutet, aktives Verstehen, größtmögliche Zuwendung, Aufmerksamkeit, interessiertes Fragen, Reflexion. Angesichts der enormen Herausforderungen ist aktives Zuhören keine Technik, es ist das, was wir als innere Haltung bezeichnen. Aktives Zuhören ist wissenschaftlich untersucht. Es dient unter anderem als Werkzeug in der modernen Psychotherapie.

 

Ich erinnere mich an eine besondere Begegnung vor Jahren in Berlin. Auf einem Empfang mit mehreren hundert Menschen traf ich die Hauptgeschäftsführerin eines Industrieverbandes, mit der ich in eine lebhafte Unterredung geriet. Während wir sprachen, merkte ich, wie andere Besucher versuchten, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, um ebenfalls ins Gespräch zu kommen. Die Dame jedoch blieb konzentriert bei der Sache, ließ sich nicht ablenken und widmetet ihre volle Aufmerksamkeit unserer Unterredung. Als wir uns verabschiedeten, sagte ich ihr, ich sei tief beeindruckt, wie sie dem Heischen nach Aufmerksamkeit der anderen widerstand. Sie erwidert darauf, dass sie selbst nur das umsetzt, was sie von anderen im Dialog erwartet: ganz und gar da zu sein und sich dem Gegenüber zu widmen.

 

Ein anderes Beispiel gab mein Vater zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn. Bei ihm lernte ich das Kommunikationshandwerk von der Pike auf. Ich kann mich an verschiedene Begegnungen erinnern, bei denen es zu Gesprächen kam und mein Vater durch aktives Zuhören zu überzeugen wusste. Ein Kunde redete beispielsweise fast zwei Stunden über ein konkretes Kommunikationsanliegen in der Hoffnung auf eine Lösung. Mein Vater hörte aufmerksam zu, hin und wieder fragte er nach, brachte ein paar Kommentare und Ideen ein. Am Ende des Treffens formulierte der Kunde selbst die Lösung und bedankte sich beim Gehen mit den Worten, dass ihm Gespräch und die Beratung sehr geholfen hätten und er mit dem Resultat sehr zufrieden sei. Der Berater unterstützt den Klienten im Dialog bei der Entwicklung seiner Vision. Der griechische Philosoph Sokrates bezeichnete diese Strategie als Mäeutik („Hebammenkunst“).  

 

Zuhören, besonders das aktive, ist für einen Berater unerlässlich. Sowohl beim Briefing als auch in der Ideenentwicklung mit dem Kunden sollte er sich als aufmerksamer Zuhörer beweisen. Denn nur wer weiß, wovon er spricht, kann einen guten Rat geben.

verfasst von:
Kai vom Hoff
Geschäftsführender Gesellschafter
+49 (0) 211 515805 – 11
k.vomhoff@vomhoff.de