19.10.2022
News

Im Metaversum raus aus der Politikverdrossenheit?

  • Metaversum wird unser Leben grundlegend verändern
  • Potenzial für die politische Kommunikation ist riesig
  • Vermittlung von Inhalten entscheidet darüber, wie Potenzial genutzt werden kann
von
Florian Weisker
Lesedauer: 4 Minuten
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Meta-Chef Mark Zuckerberg ist längst nicht mehr der Einzige, der die Zukunft seines Unternehmens im Metaversum wähnt. In dem digitalen Raum treffen die reale und virtuelle Welt aufeinander. Avatare können hier in einer computergenerierten Umgebung arbeiten, einkaufen und miteinander interagieren. Im April 2021 hat Tim Sweeney, der Chef des Spielemachers Epic Games, angekündigt, mit einer Milliarde US-Dollar die Vision des Unternehmens eines Metaversums umzusetzen. Und auch Microsoft-Chef Satya Nadella will ein „Enterprise-Metaverse“ bauen. In rund 10 Jahren soll es so weit sein.

Ist das, was für Spielehersteller, Softwareunternehmen und Netzwerkprovider naheliegend erscheint, auch eine Blaupause für die Politik? So lauten jedenfalls erste Überlegungen. Aber: Kann das Metaversum wirklich wieder mehr Nähe zwischen Regierenden und Regierten schaffen? Können uns unsere Avatare wieder näher an diejenigen heranführen, denen wir bisher nur alle vier Jahre ein Mandat gegeben haben. Wir dürfen gespannt sein.

Das Metaverse-Potenzial ist riesig

Noch ist nichts fix, aber klar ist, dass das Metaversum kommen wird – ob als Utopie oder Dystopie. Klar ist auch, dass die Möglichkeiten unbegrenzt sein werden – nicht nur für Gamer:innen. Auch für Universitäten und Unternehmen wird das Metaversum vollkommen neue Perspektiven eröffnen.

In der politischen Kommunikation scheint auch allerhand denkbar: Parteien könnten ihre Wahlprogramme begehbar und erlebbar machen: dreidimensionale Grafiken, die Möglichkeit, sich mit Expert:innen auszutauschen und an Veranstaltungen zu Themen teilzunehmen. Wahlkampfreden von Spitzenpolitiker:innen im Metaversum wären einfach umzusetzen, und Parteien könnten Kampagnen komplett neu denken.

Auch alle Formen von Diskussionsveranstaltungen wären im Metaversum möglich. Gewerkschaften, NGOs und Hauptstadtrepräsentanzen würden im Metaversum ihre eigenen Orte schaffen, um dort Politiker:innen und Bürger:innen einzuladen. Sogar Demonstrationen wären im Metaverse denkbar. Und schließlich könnten sich Abgeordnete im „Bundestag“ mit Bürger:innen aus dem eigenen Wahlkreis verabreden.

Chance für die politische Kommunikation?

All das klingt interessant. Aber eine ganze Reihe von Fragen stellen sich dennoch: Würde das Metaversum nicht all jene ausschließen, die den Schritt in den digitalen Raum nicht wagen wollen oder können? Wer garantiert die Authentizität der Avatare und des Gesagten? Könnte sich im Metaversum das realisieren lassen, was unser System ausmacht, nämlich Repräsentativität? Würde die politische Kommunikation im Metaversum in einem nächsten Schritt das Grundprinzip unseres Systems aushebeln: Nämlich die Mandatierung von Parlamentarier:innen und damit die Autorität von Parlamenten? Wäre dies das Ende der parlamentarischen Demokratie, so wie wir sie kennen? Und nicht zuletzt: Wo bleibt das, was uns als soziale Wesen ausmacht – der persönliche Bezug und die haptische Begegnung? Können Begegnungen im Metaversum Nähe schaffen oder gar langfristig Vertrauen aufbauen?

Noch stehen wir ganz am Anfang. Aber sicher ist schon heute, dass das Metaversum eine Machtfülle ungeahnten Ausmaßes haben wird. Umso bedenklicher ist es, dass China gerade dabei ist, eine eigenes Metaversum zu errichten…

Vermittlung von Inhalten entscheidend

Auch hier in Deutschland wäre es abwegig zu glauben, dass mit dem Metaversum eine neue Art politischer Kultur Einzug erhielte. Die faktische Unzufriedenheit mit der Politik hierzulande – und noch viel mehr eine allgegenwärtige Politikverdrossenheit – lassen sich mit dem Metaversum nicht beheben. Es kommt vielmehr darauf an, dass die Inhalte stimmen, die Programmatik mehrheitsfähig ist und dass die Beschlüsse von Regierungen und Parlamenten deckungsgleich mit den Erwartungen und Bedürfnissen der Menschen sind.

Dazu braucht es in einem ersten Schritt weder neue Kanäle noch neue Räume. Entscheidend ist es vielmehr, sich kommunikativ so aufzustellen, dass Politik wieder an die Lebensrealität der Menschen heranrückt und dass die Kommunikation politischer Inhalte in einer Sprache erfolgt, die von der Mehrheit der Menschen auch verstanden wird. Erst dann wird sich zeigen, welches Potenzial die politische Kommunikation auch im Metaversum entfalten kann.

verfasst von:
Florian Weisker
Geschäftsführer
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