21.9.2018
Blog

Politische Kommunikation - Social Media: Das Ende des politischen Dialogs?

von
Florian Weisker
Lesedauer: 5
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Noch vor wenigen Jahren lautete das Mantra der Politischen Kommunikation: Geht online, erschließt euch dort neue Wählerschichten! Überzeugt mit guten Argumenten! Begeistert das Volk für Politik! Geht in den Dialog mit euren Wählern! Politikverdrossenheit ade! Es herrschte Aufbruchsstimmung unter den Politikern – bei den Großkopferten wie bei den Hinterbänklern.

Apropos Großkopferte: Angela Merkel ist in einem deutschen Ranking zur größten Social-Media-Präsenz auf dem ersten Platz. Kein Wunder. Apropos Hinterbänkler: Die taten sich vor allem dann hervor, wenn es darum ging, aus der Bundesversammlung heraus als erstes kundzutun, wer neuer Bundespräsident wird. Toll! Und zum Thema Facebook-Fans: Auf Facebook ist die AfD unter den Parteien in Deutschland die beliebteste. An zweiter Stelle liegt übrigens die Satirepartei DIE PARTEI. Ein Schelm, wer daraus schließt, dass dumpfe Parolen und mangelnde Lösungskompetenz dazu führen, in den Sozialen Medien an der Spitze zu stehen!

Das führt zu der Frage, über welche Kanäle sich der Otto Normalwähler denn über Politik informiert. Laut statista.com (siehe Link) informierten sich ganze 36 Prozent der Befragten hauptsächlich durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Tageszeitungen (22 Prozent) und das Internet im Allgemeinen (17 Prozent) folgen auf den Plätzen zwei und drei. Ein kleiner Teil der Befragten nutze hauptsächlich das öffentlich-rechtliche Radio (8 Prozent) oder das Private Fernsehen (5 Prozent) sowie das Private Radio (2 Prozent). Die Sozialen Medien rangieren gemeinsam mit der Boulevardpresse mit 0 Prozent (!) an letzter Stelle. Viele gute Gründe, um die Kanäle für die politische Kommunikation mit Bedacht zu wählen.

Aber: Sind die Sozialen Medien gescheitert, bevor sie richtig gestartet sind? Keineswegs! Denn ganz im Gegenteil sind die Sozialen Medien ein Erfolgsmodell – zumindest, wenn es um die Zersetzung eines auf Respekt und Vertrauen basierenden politischen Dialogs geht. Die Politikverdrossenheit wird online exzessiv erlebbar. Die Sozialen Medien haben zu keiner Zeit partizipatorische Elemente in die Politik eingebracht, das waren allenfalls Wunschträume: Anstatt Raum für inhaltlichen Diskurs zu schaffen, werden Sachverhalte bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Noch weniger sind die Sozialen Medien in der Lage, einen offenen und lösungsorientierten Diskurs in Gang zu bringen, oder gar Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Denn Sachlichkeit ist nicht das Gebot der Stunde, wenn es einfacher ist, sich mit einem gefakten Avatar und erfundener Identität herumpöbelnd in der Gruppe Gleichgesinnter mit einer Überdosis von Verschwörungstheorien, Vorurteilen und Falschinformationen vollzudröhnen.

Respekt, Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Offenheit sind Fremdworte in den Sozialen Medien. Viele Nutzer suchen online lediglich eines: die Bestätigung der eigenen Meinung. Andersdenkende werden beschimpft, ausgegrenzt, diffamiert und bedroht. Aus der Anonymität des Internets schöpfen viele den Mut und die Ausdauer, jedes und alles zu bekämpfen, was nicht in ihr (krudes) Weltbild passt. Dieser chauvinistische Narzissmus greift Raum.

Er ist unreflektiert und undemokratisch. So kann kein Gemeinwesen – keine „res publica“ – auf Dauer funktionieren. Wir brauchen wieder eine politische Kommunikationskultur, die ihren Namen verdient. Ein erster Schritt könnte sein, die politische Diskussion auch in Zeiten des Internets „Aug in Aug“ zu führen. Das bedeutet: Ganz und gar offline, in einem realen Raum, in dem man sich persönlich gegenübersitzt. Das schafft Nähe, Vertrauen und ein Bewusstsein für die Verantwortung eigener Äußerungen.

verfasst von:
Florian Weisker
Geschäftsführer
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f.weisker@vomhoff.de