1.2.2018
Blog

Nach Affen- und Menschentests bei VW: Der Ruf ist ruiniert – was nun?

von
Armin Voigtland
Lesedauer: 4
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Die Reputation am Boden. Mal wieder bei Volkswagen. Mitten in der Debatte um mögliche Diesel-Fahrverbote in deutschen Innenstädten holt den Konzern eine von einer Forschungsvereinigung in Auftrag gegebene Studie ein. Die von BMW, Daimler und VW finanzierte „Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportwesen“ (EUGT) testete 2014 und 2015 in Forschungslaboren in den USA und der Uniklinik Aachen Stickstoffdioxid an Affen und Menschen. Der Zweck: Man wollte damit belegen, wie sauber bestimmte Diesel-Motoren im Vergleich zu denen älterer Genrationen sind.

Reputation entscheidend für wirtschaftlichen Erfolg

Die Öffentlichkeit ist entrüstet, das öffentliche Urteil schnell gefällt: Affen- und Menschenversuche zu Promotionszwecken. VW – als federführendes Unternehmen der Studie – steht im Kreuzfeuer der Kritik, die Krise ist – mal wieder –beim niedersächsischen Autobauer angekommen. Die Folgen für die Reputation des Unternehmens sind immens, wie die öffentliche Debatte zeigt. Und das wiegt schwer. Dieser – noch immaterielle – Schaden kann sich mittel- bis langfristig negativ auf den unternehmerischen Erfolg des Unternehmens auswirken und bilanzwirksam werden. Denn die Reputation eines Unternehmens – das belegen Studien – ist entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg.

Unter immensem öffentlichen Druck gesteht VW daher Fehler ein und handelt: Thomas Steg, VW-Generalbevollmächtigter und -Chef-Lobbyist, übernimmt die volle Verantwortung für die Versuche und tritt zurück. Er war darüber – übrigens genau wie die VW-Rechtsabteilung – voll informiert und hatte dagegen keine Einwände. VW-Chef Matthias Müller ist „fassungslos“ und bezeichnet die Versuche an Affen zerknirscht als „unethisch und abstoßend“. Zudem hätten die Versuche nichts mit „Interessensvertretung oder wissenschaftlicher Aufklärung“ zu tun. Er entschuldigt sich ausdrücklich für das Fehlverhalten von VW-Mitarbeitern und will die Arbeit der Mitte 2017 aufgelösten Forschungsvereinigung EUGT detailliert untersuchen.

Ethische Normen nicht beachtet

Vielleicht hält VW mit diesen Maßnahmen die größten Feuer der Krise in Schach. Aber insgesamt ist die Reputation des weltweit größten Autokonzerns nachhaltig beschädigt. Denn was bleibt haften? Der Eindruck, dass VW jeglichen moralischen Kompass verloren hat. Dem Konzern, so scheint es, ist jedes Mittel recht, um seine Produkte „sauber“ zu waschen und bessere Verkaufsargumente zu liefern. Sogar Affen und Menschen werden benutzt, damit der Dieselmotor ein besseres Image bekommt.

In der Empörung um diese Studien geht ein wenig unter, dass Tierversuche nichts Illegales sind. Regelmäßig gibt es Studien mit Tieren in Testlaboren, viele sterben dabei. Ein sensibles Thema, das häufig öffentlich diskutiert wird. Und auch Tests an und mit Menschen sind im Pharmabereich nichts Ungewöhnliches. Doch da geht es um die Wirksamkeit von Medikamenten und Auswirkungen von Produkten auf die menschliche Gesundheit, an denen vorher jahrelang geforscht wurde.

Bei den EUGT-Studien stand der Marketingeffekt im Vordergrund, zu dessen Zweck Affen- und Menschentests herangezogen wurden. Selbst Matthias Müller sagt: „Es gibt Dinge, die tut man schlicht nicht.“ Und die bekannt gewordene Versuchsanordnung, dass zehn Affen in geschlossenen Käfigen unter Zugabe von TV-Comics Abgase eines VW-Beetle eingeatmet haben, mutet selbst wissenschaftlichen Laien ein wenig skurril an. Wären das wirklich verwertbare Erkenntnisse gewesen, mit denen man Kunden hätte überzeugen können?

Vertrauen sinkt, Marke wird beschädigt

VW wird es trotz aller „Kriseninterventionsmaßnahmen“ schwer haben, seinen guten Ruf, der schon seit einigen Jahren deutlich ramponiert ist, wiederherzustellen. Das kann dem Weltkonzern nun in vielen Fällen auf die Füße fallen, siehe aktuelle Diesel- Debatte um Fahrverbote. Das heißt nicht, dass in diesen Bereichen automatisch gegen die Interessen von VW entschieden wird, aber der Konzern wird es deutlich schwerer haben, seine Positionen so anzubringen, dass sie Gehör finden. Denn alle Argumente werden von dem Satz „Denen kann man eh nicht glauben“ begleitet. Das Vertrauen ist wieder einmal gesunken, die Konsequenzen für die Weltmarke Volkswagen und das Geschäftsergebnis sind noch nicht absehbar. Klar ist, die Rahmenbedingungen für ein gutes Ergebnis werden so deutlich schlechter.

Strategische Kommunikation hilft, „License to operate“ zu sichern

Und das ist auch die für alle Unternehmen wichtige Erkenntnis der neuerlichen VW-Krise: Die Reputation, der gute Ruf eines Unternehmens, ist fast unbezahlbar. Es reicht nicht aus, wenn sich die Unternehmensspitze in einer Krise mit der Reputation des Unternehmens beschäftigen und versuchen, den Reputationsschaden in der Krise zu minimieren. Es geht für Unternehmen darum, frühzeitig die Erwartungen seiner Stakeholder zu antizipieren und die Handlungen darauf auszurichten.

Das schafft Vertrauen, sichert Akzeptanz und vermeidet im besten Fall Krisensituationen. Kommunikation alleine ist nicht für den guten Ruf eines Unternehmens verantwortlich. Die Qualität der eigenen Produkte, das Verhalten und die Zufriedenheit von Kunden sind dafür ebenfalls entscheidend. Aber strategisch ausgerichtete Kommunikation hilft, Reputation zu managen und Vertrauen zu relevanten Stakeholdern aufzubauen.

Denn es ist heute entscheidend für Unternehmen, immer wieder ihre „License to operate“ zu sichern. Reputation sollte daher integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Dabei hilft strategische Kommunikation, denn für die Daseinsberechtigung eines Unternehmens ist die gesellschaftliche Dimension entscheidend. Zielgruppengerechte Kommunikationsmaßnahmen für alle Stakeholder helfen dabei, Vertrauen auf- und auszubauen.

Das schafft Loyalitäten und wirkt sich letztlich auf Kaufentscheidungen sowie die gesamte Geschäftstätigkeit des Unternehmens aus. Das ist eine komplexe, langfristige Aufgabe, die Fingerspitzengefühl erfordert. Dabei sollte man immer die Worte von US-Unternehmer Warren Buffet im Blick behalten: „It takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it.“VW, so scheint es, hat jetzt schon häufiger seine fünf Minuten gehabt. Das sollte nun mal reichen.

verfasst von:
Armin Voigtland
Senior-Berater
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